Die Männer hoffen auf den großen Fang, ich gehe wandern. Was als kurzer Rundweg geplant ist, wächst sich zu einer vierstündigen Wanderung über den Berg zum nächsten Fjord aus.
Statt Warten auf Angelglück entscheide ich mich, einen kurzen Trail außerhalb von Flateyri anzugehen. Die erste Strecke verläuft mit mäßiger Steigung, schnell bin ich an der Wegkreuzung, die entweder wieder hinab ins sonnige Fischerdörfchen führt oder weiter hinauf zu einem gepriesenen Aussichtspunkt. Die Entscheidung fällt schnell, ich wandere höher hinaus. Der Weg wird zunehmend steiler und führt mich in kleinen Schleifen über ein Geröllfeld. Der Abstieg könnte herausfordernd werden… Aber zunächst genieße ich im kalten Nordwind den Blick über Schneefelder hinweg auf Flateyri. Dafür haben sich die Strapazen definitiv gelohnt.
Statt abzusteigen zum Ausgangspunkt zieht es mich weiter über die karge Hochebene, der Wind pfeift. Die windschützende Schicht ist wirklich unersetzlich. Ich folge den aufgeschichteten Steinhaufen, welche den Weg markieren und gelange zum nächsten tief eingeschnittenen Tal. Nun heißt es absteigen. Plötzlich verschwindet die zuvor schon spärliche Wegmarkierung in einem Geröllfeld, was vermutlich die letzte Schneeschmelze in Richtung Tal geführt hat. Unsicheren Trittes steige ich über die großen, scharfkantigen Gesteinsbrocken, ein Weg ist nicht zu erkennen, das Ziel liegt irgendwo am Ende des Tales. Ich taste mich vorsichtig talwärts.
War da etwa wieder ein Pfad oder sind das die Wege, welche die Schafe nehmen? Entlang eines kleinen Wasserfalls kreuze ich diverse Wasserläufe, vorbei an sumpfigen, wassergefüllten Senken. Einige Schafe begrüßen mich, blöken überrascht ob der ungewöhnlichen menschlichen Anwesenheit. Der Fuß des Tals rückt näher. Plötzlich gibt es erneut keine Wegmarkierungen mehr, ein Blick in Richtung Meer verrät, dass ich noch nicht auf dem richtigen Pfad bin. Ich quere einen Fluß und erreiche schließlich einen landwirtschaftlich genutzten Weg, der mich vorbei an einer kleinen Kirche in eine windgeschützte sandige Bucht führt. Als wäre es abgesprochen, biegt Charles um den Felsen. Mit aufgeregten Berichten vom erfolgreichen Angeltag begrüßen mich die Jungs. Nach 14 km, 650 Höhenmetern im Auf- und Abstieg ist das kalte Fußbad im Nordatlantik eine Wohltat.