Der letzte Wildfluss Europas: die Vjosa

Auf unser Fahrt nach Permet folgen wir der Vjosa bereits über viele Kilometer. Zunächst entlang des breiten Unterlaufs mit seinen ausgehntem Kiesbett und zahlreichen Mäandern, später entlang des engeren, felsigeren Mittellaufs. Wir freuen uns auf Wasseraktivitäten auf und im türkisblauen Wasser.

Die Vjosa ist der einzige Fluss in Europa, der von Begradigungen, Dämmen und sonstigen Eingriffen in den natürlichen Lauf verschont geblieben ist – bislang. Wie weitere naturnahe Fließgewässer der Balkanhalbinsel gehört er zum „Blauen Herz Europas“ – eine Naturschutzinitiative zum Erhalt des Lebensraumes und der Biodiversität. Da die Vjosa bislang nicht den besonderen Schutzstatus eines Nationalparks hat, werden immer wieder Begehrlichkeiten geweckt, den Fluss stärker als bisher wirtschaftlich zu nutzen. Ein begonnenes Staudammprojekt zur Energiegewinnung aus Wasserkraft wurde glücklicherweise bislang nicht weiter vorangetrieben. Doch eine neue Bedrohung ist bereits da: Shell erkundet mit Partner die Gegend nach Erdölvorkommen. Gegen diese Aktivitäten gibt es großen Widerstand nicht nur der ansässigen Bevölkerung: https://exit.al/en/2021/04/24/vjosa-river-being-explored-for-oil-residents-we-dont-want-them-here/

Wir erfahren von Dona, unserer Gastgeberin, von einer Petition und unterzeichnen diese direkt. Wer es uns gleichtun möchte und damit nicht nur die Lebensgrundlage der Menschen, die am und mit dem Fluss leben, bewahren möchte, findet die Petition auch online: STOP kerkimeve per nafte dhe gaz ne luginen e Vjoses dhe Deshnices ne rrethin e Permetit! und weitere Hintergrundinformationen hier: https://exit.al/en/2021/04/24/vjosa-river-being-explored-for-oil-residents-we-dont-want-them-here/

Fasziniert von der Vjosa recherchiere ich weiter und finde mich inmitten einer großen Kampagne wieder. Erst im März klebte die Forderung „Vjosa Nationalpark Now“ auf dem Pflaster vor dem Brandenburger Tor. Ein Kurzfilm der engagierten Outdoor-Firma Patagonia will das Vorhaben ebenfalls unterstützen, damit endlich alle Dammbauten und Erdölerkundungsprojekte vom Tisch sind.

Was den Fluss so besonders macht, erfahren wir direkt am Tag nach unserer Ankunft. Nach einer Radtour zu den nahegelegenen Thermalquellen von Benje, starten wir mit Beni zum Rafting auf der Vjosa. Nicht nur die Kinder sind angesichts der neuen Erfahrung ein bisschen aufgeregt. Aber Beni kennt „seinen“ Fluss und führt uns sicher durch die schnell strömenden Passagen – ohne uns natürlich den Spaß an der Geschwindigkeit und den wilden Ritten auf den Wellen zu nehmen. In den folgenden knapp 2 Stunden durchfahren wir gefühlt mehr als einen Fluss – die Flusslandschaft ist so unglaublich vielfältig. Breitere Passagen mit flachem Wasser, enge, felsige Flussufer wechseln sich ab. Dazu der Blick auf den schneebedeckten Gipfel der Nemërçka, die bis auf über 2400m aufsteigen (höchster Gipfel: Maja e Papingut (2482 m)). Es ist amazing!! Die Fahrt im Boot wird an geeigneten Stellen für ein Bad im wunderbar klarem, kaltem und sauberem Wasser unterbrochen. Sich von der Strömung treiben zu lassen, ist einfach großartig. Für den ein oder anderen Sprung von den Felsen braucht Anton zwar auch etwas Mut, wird aber belohnt durch eine unvergleichliche Erfahrung. Auf der Hälfte unserer Raftingtour erntet Beni Mattis‘ ungläubige Blicke als er eine Pause für ein Eis ankündigt. Und in der Tat, nahe einer Hängebrücke wird vom Besitzer der Dorftaverne zielsicher ein Beutel ins Boot hinabgeworfen, der für jeden von uns ein Eis enthält 🙂 Mattis und alle anderen sind nicht nur erstaunt, sondern auch überglücklich !!! Irgendwann endet aber auch diese wunderbare Tour am Ecocamping und wird dort natürlich ausführlich nachbesprochen.

In das strahlende Wasser der Vjosa tauchen wir jedoch gleich am nächsten Tag nochmal ein. Nur wenige Minuten von unserem Zuhause auf Zeit befindet sich direkt unter einer, für unsere Augen wenig vertrauenserweckenden Hängebrücke, ein toller Badeplatz für große und kleine Felsenspringer. Anton fordert Karolina, einer sehr sympathischen Sportlehrerin aus Argentinien, beim Klippenspringen alles ab. Auch Mattis gibt seine anfängliche Vorsicht alsbald auf. Er kann gar nicht genug bekommen von den Sprüngen und der Strömung, die ihn anschließend an das Ufer zurückbringt. Als beste Schwimmerin stellt sich jedoch die Sprockerdame Poppy heraus, die unermündlich zwischen Stock und Ufer pendelt und schließlich von Frauchen Sharon eingebremst werden muss, um nicht vor Erschöpfung irgendwann nicht mehr an Land zu gelangen. Ein unglaublich schöner, kurzweiliger Nachmittag, was insbesondere auch an unseren witzigen und herzlichen Mitreisenden aus Argentinien und England liegt.

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